So lieb wie das Salz

Es war einmal ein König. Er hatte drei Töchter; die liebten ihren Vater sehr. Als sie eines Abends miteinander am Kamin saßen, fragte der König: "Welche von euch dreien hat mich denn am liebsten?" Da sagte die Älteste. "Ich habe dich so gern wie einen Edelstein." - "Und ich wie eine Perle", sagte die zweite. "Und du, mein Kind?" fragte der König seine Jüngste, die Rose hieß. "Ich habe dich so gern wie das Salz", gab sie zur Antwort. Der König meinte, seine jüngste Tochter achte ihn gering, und wurde darüber sehr zornig. Er rief zwei seiner vertrauten Knechte und befahl ihnen, das Mädchen in den Wald zu führen und zu töten. Die Knechte taten, wie ihnen befohlen, und nahmen das Mädchen mit in den tiefen Wald hinaus. Als sie in einer Wildnis anlangten, wo ihnen niemand mehr auf die Spur kommen konnte, sagten sie zu Rose: "Nun mußt du sterben. Dein Vater, den du schwer beleidigt hast, will es so haben, und des Königs Wille muß geschehen!" Da weinte das arme Kind bittere Tränen und flehte die beiden Knechte an, ihm doch das Leben zu schenken. Die Knechte hatten Rose immer sehr gern gehabt, zeigten Mitleid mit ihr und berieten, was sie tun sollten. Rose mußte ihnen versprechen, sich nie mehr im Lande sehen zu lassen, damit der König glaube, sie sei wirklich getötet worden. Darauf ließen sie das Mädchen frei und kehrten an den Königshof zurück.

Die Königstochter irrte lange im Wald umher und lief weiter und immer weiter, bis sie endlich in ein fremdes Land kam. Sie fragte überall um Arbeit nach, fand aber nirgends ein Unterkommen."Wir brauchen niemand", sagten die Leute und schickten sie von einem Ort zum andern. Weil sie so lange unterwegs gewesen war, waren ihre Kleider allmählich zerschlissen und schmutzig geworden, und manche hatten sie daher für ein entlaufenes Zigeunerkind gehalten. "Geh ins Schloß hinauf', sagte eine Bauernfrau zu ihr",dort wohnt eine alte Königin, die hat ab und zu schon so ein Mädchen aufgenommen."

Da ging sie ins Schloß und fragte, ob man nicht eine Küchenmagd brauche; sie wolle gerne die niedrigsten Arbeiten verrichten. Die alte Königin gab schließlich ihren Bitten nach und nahm sie auf. Die Königstochter mußte jeden Tag Feuerholz und Wasser für die Küche herbeitragen, die Gartenbeete umhacken, Unkraut jäten und morgens und abends die vielen Blumen gießen. Weil sie so fleißig war, hatte die alte Königin sie gern, war freundlich zu ihr und schenkte ihr ordentliche Kleider. Nun sah Rose wieder recht hübsch aus. Eines Tages kam ein junger Prinz, der Enkel der Königin, dessen Vater in einem andern Land König war, zu Besuch. Die Großmutter führte ihn auch durch ihren schönen Garten, wo die fremde Königstochter gerade die Blumen begoß. Sie gefiel dem Prinzen auf den ersten Blick. "Wie heißt die schöne Gärtnerin?" fragte er. "Rose", antwortete die alte Königin. Als sie abends noch einmal im Garten spazierengingen, wo die Königstochter im einfachen Magdkleide wieder die vielen Blumen begoß, fragte die Großmutter den Prinzen: "Welche Blume in meinem Garten gefällt dir am besten?" - "Die Rose, die durch den Garten geht und die Blumen begießt!" antwortete der Prinz. Da sah ihn die alte Königin ganz erstaunt an und sagte:"Schlage dir diesen Gedanken aus dem Sinn! Weiß ich doch nicht einmal, woher das Mädchen kommt und wer seine Eltern sind." Der Prinz erwiderte nichts darauf; sooft aber das Mädchen in den Garten ging und die Blumen goß, war er da, trat zu ihr heran und unterhielt sich lange mit ihr. Die Königin befürchtete, aus der Sache könnte Ernst werden; darum wollte sie vorbeugen und schickte den jungen Prinzen zu seinem Vater zurück.

Daheim ging der Prinz traurig und schweigsam umher, hatte an nichts mehr Freude und verzehrte sich fast vor Sehnsucht nach der schönen Rose. Da schickte ihn sein Vater wieder zur Großmutter, damit er sich bei ihr erhole und seine alte Fröhlichkeit wiedererlange. Die Großmutter nahm ihn herzlich auf, und weil sie sah, wie sehr der Prinz an dem Mädchen hing, das sie selber inzwischen auch immer lieber gewonnen hatte, ließ sie die beiden gewähren.

Eines Tages saßen sie zusammen auf einer Bank im Garten, und der Prinz fragte das Mädchen, wie ihre Eltern hießen und wie sie hieher aufs Schloß gekommen sei. Da erzählte ihm Rose, sie sei eine Königstochter und aus ihres Vaters Reich geflohen, weil er sie habe umbringen lassen wollen; und dies nur, weil sie erklärt hatte, sie habe ihn so lieb wie das Salz. Der Prinz bedauerte sehr, daß ihr so großes Leid und Unrecht widerfahren war. "Tröste dich, mein Liebes", sagte er; "ich will alles wiedergutmachen, wenn du meine Gemahlin geworden bist." Am anderen Morgen sandte er einen Boten zu seinem Vater, der diesem die baldige Ankunft des Brautpaares melden mußte.

Mit Freuden wurden die beiden im Schlosse empfangen und gleich alle Vorbereitungen zur Hochzeit getroffen. Viele Gäste aus nah und fern erhielten eine Einladung zur Hochzeitsfeier, und auch Roses Vater wurde herzlich eingeladen. Er wußte aber nicht, wer die Braut war. Zu seiner Begrüßung wurde ein reiches Abendessen veranstaltet. Die Tafel war herrlich gedeckt; die seltensten Speisen wurden aufgetragen - doch alle waren ohne Salz zubereitet. Als man nun bei Tische saß, legte der alte König nach wenigen Bissen Messer und Gabel beiseite, stützte den Kopf in die Hand und sann nachdenklich vor sich hin. "Was ist Euch, Herr?" fragte ihn der Prinz. "Schmeckt Euch das Essen nicht?" - "Nein, verzeiht mir. Das Salz fehlt, und ohne Salz schmeckt selbst die beste Speise nicht." - "Warum aber sinnt Ihr so traurig vor Euch hin?" - "Weil ich erkennen mußte, was für ein großes Unrecht ich einstens begangen habe. Ich will Euch mein Herz ausschütten, Prinz: Ich hatte drei Töchter und fragte sie eines Tages, wie lieb sie mich hätten. Da antwortete die älteste: Wie einen Edelstein', die zweite: Wie eine Perle', meine jüngste aber sagte:,So lieb wie das Salz'. Darüber ärgerte ich mich so sehr, daß ich sie durch zwei Knechte im Walde töten ließ. Ich bereue meine böse Tat von Herzen, doch alle Reue kommt zu spät!" Er hob die Hand über die Augen, um seine Tränen zu verbergen.

Da ging die Saaltüre auf, und die Braut im schönsten Hochzeitsschmuck trat herein. Der König erkannte seine jüngste Tochter auf den ersten Blick, brachte aber vor Rührung kein Wort über die Lippen. "Vater! Lieber Vater!" rief Rose voller Freude, lief ihm entgegen, schlang ihre Arme um seinen Hals und küßte ihn. Noch nie war eine glücklichere und fröhlichere Hochzeit gefeiert worden, und wenn die beiden jungen Königskinder nicht gestorben sind, dann leben sie heute noch.

Süddeutsches Volksmärchen

Diese Fassung abgescannt aus: Lesezeichen: Lesebuch Ausgabe A/B für Gymnasien und Realschulen in Baden-Württemberg und Bayern, 5. Schuljahr, hg. Siegfried Hein u. a. (Stuttgart: Ernst Klett Verlag, 1984), S. 179-181.

http://www.asamnet.de/~ringeisp/p-r-de/salz.htm   19.8.15

 

Dasselbe Märchen gibt Pia Anne in  "Traditionell aus Schottland, nacherzählt von Pia Anne nach Tell me a story for Christmas von Duncan Williamson, Edinburgh ( Canongate Publishing 1987) "   als schottisches Märchen aus.   http://www.speisesalz.com/b%C3%BCchertipps/kategorie-salz/salzprinzessin/  19.8.2015

Das verstossene Mädchen.

Es war einmal in einer Stadt, wo Turm auf Turm getürmt war, ein sehr, sehr reicher Mann, der wohnte dort mit seinen drei schmucken Töchtern. Dieser Mann war sehr befreundet mit einem Grafen und brachte ihm oft viele Geschenke, und alsdann kam auch er beschenkt heim.

Einstmals nun kam der Mann gerade so beladen heim vom Grafen und war sehr guter Laune. Da rief er seine drei Töchter zu sich und fragte zuerst die älteste:

"Wie liebst du mich, meine schmucke Tochter?"

Das Mädchen, das ein goldenes Kleid hatte, sagte:

"Ich liebe mein liebes Väterchen wie das reinste Gold."

Da fragte er die mittelste, die ein köstliches, silbernes Hemd hatte:

"Und du, wie liebst du mich?"

"Ich liebe dich, mein liebes Väterchen, wie das reinste Silber."

Schliesslich sagte er zur jüngsten und liebsten:

"Und du, meine süsse Tochter, wie liebst du mich?"

Er dachte, da er sie am meisten liebte, so würde sie ihn vielleicht auch am meisten lieben.

"Ich liebe meinen lieben Herrn Vater wie das reine, weisse Salz."

Da gerieten des Mädchens Vater und ihre Schwestern in Zorn und drangen in sie, dass sie ihre Worte zurücknähme; denn nicht wahr, ein Pfund Salz kostet acht Kreuzer, also nur so hoch schätzte sie ihr liebes Väterchen?

Aber das Mädchen widerrief ihre Rede nicht. Da wurden sie sehr zornig auf sie und sagten ihr, wenn sie ihr Wort nicht zurücknähme, so möge sie gehen, wohin sie wolle; sie würden sie nicht weiter bei sich behalten.

Was sollte das arme Mädchen machen? Sie schnürte ihr Bündel und zog in die Welt hinaus. Drei Nächte und drei Tage war sie in einem grossen Walde umhergewandert und hatte im Freien, auf moosigen Plätzen, übernachtet, als ein alter Mann vor sie trat und zu ihr sprach:

"Meine liebe Tochter, ich weiss, was dich herführt. Deine Geschwister haben dich verstossen, weil du deine Worte nicht zurückgenommen hast. Aber folge meinem Rat und gehe diesen geschlängelten Weg entlang; der führt dich zu einer Grafenburg; dort setze dich vor den Garten, und die Wachen werden dich sehen und verhaften. Jener Graf hat einen Sohn; der gewinnt dich lieb, und du wirst seine Frau."

Das Mädchen machte es auch so; sie ging dorthin zum Garten und brachte eine Nacht dort zu. Frühmorgens gewahrten sie die Wachen und brachten sie in das Grafenschloss. Und wie des Grafen Sohn das Mädchen nur erblickte, rührte ihre Lieblichkeit ihn also, dass er sogleich seinem Vater und seiner Mutter erklärte, sie gefalle ihm so, dass er keine andere als diese zur Gemahlin nehmen werde. Aber die wollten nicht, dass er eine schamlose Herumtreiberin heirate, da er doch eine viel Feinere haben konnte.

Doch der Grafensohn achtete nicht auf ihre Reden und liebte das Mädchen nur noch mehr.

Der Graf und die Gräfin sahen nun ein, dass ihr Reden müssig war. Da fragten sie das Mädchen, warum es so umherstreiche. Das Mädchen erzählte, dass sei, weil sie gesagt hatte, sie liebe ihr liebes Väterchen wie das schöne, weisse Salz; darum sei sie verstossen worden, und ihr Herz sei jetzt übervoll von Leid.

Da war grosse Freude, als sie erfuhren, dass sie die Tochter des Mannes sei, der bei ihnen verkehrte. Sie bereiteten nun die Hochzeit und versammelten viel Volk; auch den Vater des Mädchens beehrten sie mit einer Einladung. Aber er bekam seine Tochter nicht zu Gesicht. Und als die Speisen aufgetragen wurden, bekam jeder beim Grafen einen besonderen Teller; das Väterchen des Mädchens wurde auch mit einem Teller beehrt, aber sie hatten an sein Essen wenig Salz gethan. Der reiche Mann suchte überall umher, doch nirgends fand er Salz. Da kam ihm der Gedanke, dass er ohne Salz nicht einen Tag leben könnte. Die Thränen traten dem reichen Mann ins Auge, und Schmerz ergriff sein Herz. Die Küchenmeister fragten ihn, warum er die Speisen nicht esse, ob sie vielleicht nicht gut seien. Da erzählte er, wie es ihm mit seiner Tochter ergangen sei, und dass er sie aus dem Hause gewiesen, und jetzt deswegen weine und klage. Er traure um seine Tochter; er wisse nichts von ihr, vielleicht sei die Arme schon tot.

Da liess der Graf den Jüngling und das Mädchen rufen.

"Kennst du sie, mein Freund?" sagte der Graf.

"Wie sollte ich sie nicht kennen?" sagte der reiche Mann; "dies ist meine süsse Tochter". Und dann umarmten sie sich und freuten sich, dass sie sich wieder gefunden hatten, und von da an lebten sie glücklich mit einander.

Quelle: Elisabet Sklarek, Ungarische Volksmärchen, Leipzig 1901, Nr. 34

 

http://www.sagen.at/texte/maerchen/maerchen_ungarn/ungarn_volksmaerchen/verstossene_maedchen.html  19.8.15

 

Das Märchen von der Salzprinzessin

Freitag, 28. November 2008 - Jenny Moog

Heute hab ich mir gedacht, dass ich als besonderen Weihnachsgruß, der Bevölkerung, besonders den Kindern, für die Leseabende in der Weihnachtszeit, das Märchen von der Salzprinzessin in der Presse erzähle, frei nach den Gebrüdern Grimm. Mein Bruder hat gerade in der 5. Klasse der Gymnasialstufe das Thema Märchen, auch im Kindergarten oder wo auch immer könnten die Erwachsenen mit den Kindern das Märchen vorlesen und vor allem, die Eltern mit íhren Kindern. Es ist zwar viel, aber es würde mich sehr freuen, wenn sie es drucken, das wäre mal ein ganz anderer Gruß, als im Vorjahr.
Morgen bin ich zum Arterner Salineball eingeladen. Ich trete auch zusätzlich mit meiner Familie als ” Musikalischer Schnittchendienst” auf. Abends mache ich dann auch noch bei der Modenschau mit. Das klingt jetzt sicher wieder mal sehr umfangreich, aber es sind ja alles Sachen, die mir absolute Freude bereiten. Sonntag helfe ich dem Weihnachtsmann bei der Weihnachtsfeier der “Lebenshilfe e.V.” für Menschen mit geistiger Behinderung, Geschenke zu verteilen.

Es war einmal ein König, der hatte drei Töchter, Agnes, Ludmila und Maruschka, die er wie sein Augenlicht liebte. Er war schon alt und des Herrschens müde und so sann er oft darüber nach, welche seiner Töchter nach seinem Tode Königin werden sollte. Die Wahl wurde ihm schwer, denn er liebte alle drei gleichermaßen. Endlich, nach reiflichem und langem Erwägen entschloss er sich, diejenige zur Herrscherin zu bestimmen, die ihn am innigsten liebte. Er berief die Prinzessinnen vor seinen Thron und sprach zu ihnen:
“Meine lieben Töchter! Ich bin alt und schwach geworden und werde nicht mehr lange unter euch weilen. Doch bevor ich sterbe, will ich eine von euch zu meiner Nachfolgerin ernennen. Vorerst aber will ich prüfen, welche mich am liebsten hat. Sage du mir, Agnes, meine Älteste, wie liebst du deinen Vater?”
“Ach, lieber Vater, ich liebe dich mehr als Gold!” antwortete Agnes und küsste seine Hand.
“Und du, Ludmila, wie sehr liebst du mich denn?”
“Ach, mein gutes Väterchen”, rief das Mädchen und umarmte den König, “ich liebe dich wie mein Brautgeschmeide.”
“Und nun du, meine Jüngste, sage mir, wie du mich liebst?” fragte der König und wandte sich Maruschka zu.
“Ich, Vater, liebe dich … wie Salz!” antwortete sie nach kurzem überlegen und sah den König allerliebst an.
“Oh, du böses Mädchen, du liebst deinen Vater nur wie Salz?! Schäme dich!” riefen ihre beiden Schwestern empört.
“Ja, wie Salz liebe ich meinen Vater!” wiederholte Maruschka von neuem.
Da wurde auch der alte König zornig. Er konnte nicht verstehen, dass Maruschka ihre Liebe zu ihm mit einem so einfachen Dinge verglich, das jedermann, auch der Ärmste besaß und nur für wenige Groschen erwerben konnte.
“Geh, mir aus den Augen, du undankbares Mädchen!” rief er. “Ich will dich erst dann wiedersehen, wenn den Menschen Salz wertvoller als Gold und Edelsteine erscheinen wird. Dann kehre zurück, denn dann will ich dich zur Königin machen!”
Dass jemals eine solche Zeit kommen könnte, daran glaubten weder der alte König noch seine beiden älteren Töchter.
Ohne zu widersprechen, mit tränenüberströmtem Antlitz, verließ die stets gehorsame Maruschka das Schloss ihres Vaters. Einsam und verlassen stand sie auf der Straße und wusste nicht, wohin sie ihre Schritte wenden Schließlich beschloss sie, der Richtung des Windes zu folgen. Sie wanderte über Berge und Täler, bis sie zu einem dichten Birkenwäldchen kam. Da trat ihr eine alte Frau in den Weg. Maruschka grüßte freundlich und wünschte der Alten einen guten Morgen. Die Alte sah die rotgeweinten Augen des Mädchens und sagte mitfühlend:
“Was bedrückt dich denn, mein Kind, dass du so bitterlich weinest?”
“Ach, Mütterchen!” antwortete Maruschka, “fragt nicht nach meinem Kummer! Ihr könnt mir ja ohnehin nicht helfen!”
“Vielleicht doch!” sagte die Alte lächelnd. “Öffne mir dein Herz und sage mir, was dich quält. Wo graue Haare sind, da ist auch Vernunft.”
Ermutigt erzählte nun Maruschka, was sich zugetragen hatte und weinend fügte sie hinzu:
“Ich will ja gar nicht Königin werden, sondern will nur allzu gerne meinen Vater von meiner aufrichtigen Liebe zu ihm überzeugen!”
Die Alte ließ Maruschka zu Ende erzählen, obzwar sie von allem Anfang an wusste, was der Grund ihres Kummers war, denn sie war keine gewöhnliche alte Frau, sondern eine gute Fee. Freundlich nahm sie das Mädchen bei der Hand und forderte es auf, in ihre Dienste einzutreten. Maruschka war überglücklich und ging mit der Alten.
Die gute Fee führte sie in ihr Waldhäuschen und gab ihr zu essen und zu trinken. Als sich Maruschka gelabt hatte, fragte die alte Frau:
“Kannst du Schafe hüten? Kannst du melken? Kannst du spinnen und weben?”
“Nichts desgleichen habe ich gelernt!”, antwortete das Mädchen traurig. “Doch wenn Ihr es mir zeigen wollt, will ich es versuchen und sicherlich schnell lernen!” “Dies werde ich gerne tun und dich in allem unterweisen. Sei nur stets gut und gehorsam und tue, was ich dir sagen werde. Wenn sich die Zeit zur Zeit gesellt, wird dir Glück und Freude erwachsen!”
Maruschka versprach folgsam zu sein, und da sie fleißig und willig war, lernte sie schnell, und die Arbeit machte ihr viel Freude.
Inzwischen lebten die beiden älteren Prinzessinnen auf dem Schloss in Saus und Braus. Mit falschen Worten und vorgetäuschten Liebkosungen umgarnten sie den alten König und verlangten täglich neue und neue Geschenke. Die älteste Prinzessin stand den lieben Tag lang vor dem Spiegel und kleidete sich in prächtige Gewänder, während ihre Schwester sich mit Gold und Edelsteine schmückte und unaufhörlich tanzte. Ein Festmahl folgte dem anderen, und die Mädchen hatten nichts anderes als nur ihr Vergnügen im Sinne.
Da gingen dem alten König die Augen auf und er musste erkennen, dass seinen Töchtern Gold und Tanz lieber waren als er. Er gedachte seiner jüngsten Tochter und erinnerte sich an die aufrichtige Liebe, mit der sie ihn immer umgeben, ihn geherzt und geliebkost hatte und er wusste nun, dass er sie allein zur Königin hätte ernennen sollen. Wie gerne hätte er sie zurückgeholt, wenn er nur ihren Aufenthaltsort gekannt hätte! Kamen ihm aber ihre Worte in den Sinn, dass sie ihn nur so wie Salz liebe, wurde er wiederum ärgerlich und zweifelte an ihr. Eines Tages sollte ein Festmahl im Schloss gegeben werden. Da stürzte der Koch vor des Königs Thron und rief:
“Herr, ein großes Missgeschick hat uns befallen! Das Salz in der Küche und auch im ganzen Lande ist zerflossen und hat sich aufgelöst. Womit soll ich denn die Speisen salzen?”
“Kannst du denn nichts anderes zum würzen verwenden?” fragte der König ärgerlich.
“Oh, Herr, welches Gewürz könnte denn Salz ersetzen?” rief der Koch verzweifelt. Auf diese Frage aber, wusste der König keine Antwort. Er wurde böse und befahl dem Koch, das Festmahl ohne Salz zu bereiten.
“Wenn es dem König recht ist, mir kann es sicherlich recht sein!”, dachte der Koch und sandte ungesalzene Speisen zur Königstafel. Den Gästen wollten die Gerichte nicht munden, obzwar sie sonst schmackhaft und wohlgefällig zubereitet waren.
Der König sandte seine Boten nach allen Windrichtungen aus, um Salz zu holen, doch sie alle kehrten unverrichteter Dinge und mit leeren Händen ins Schloss zurück. Das gleiche Missgeschick hatte auch die Nachbarländer betroffen und wer noch einen kleinen Salzvorrat hatte, wollte sich nicht für alles Gold der Welt von ihm trennen.
Auf Befehl des Königs bereitete nun der Koch nur süße Speisen und Gerichte zu, die keines Salzes bedurften. Doch auch diese Speisen wollten den Gästen auf die Dauer nicht schmecken und als sie sahen, dass keine Besserung abzusehen war, verließen sie, einer nach dem anderen, das königliche Schloss. Die beiden Prinzessinnen waren untröstlich, aber es blieb ihnen nichts anderes übrig, als die Gäste ziehen zu lassen.
Doch nicht nur die Menschen, sondern auch das Vieh in den Ställen litt unter diesem Salzmangel. Kühe, Ziegen und Schafe gaben wenig Milch. Es war ein Unglück für jedermann im Lande. Die Leute wankten müde zur Arbeit und wurden schwach und krank. Sogar den König und seine beiden Töchter verschonte die Krankheit nicht. Da erst erkannten sie, welch seltene Gabe des Himmels das Salz war und wie wenig sie diese geschätzt hatten. Die Schuld, Maruschka Unrecht getan zu haben, lastete schwer auf des Königs Gewissen.
In der Zwischenzeit lebte das Mädchen in der Hütte im Walde glücklich und zufrieden. Sie ahnte nicht, wie schlecht es ihrem Vater und ihren beiden Schwestern zu Hause erging. Die weise Frau jedoch wusste nur zu genau, was sich dort zutrug!
Eines Tages sprach sie zu Maruschka:
“Stets sagte ich dir, dass wenn die Zeit sich zur Zeit gesellt, deine Stunde kommen wird. Deine Stunde hat nun geschlagen. Kehre nach Hause zurück!”
“Ach, mein gutes Mütterchen, wie könnte ich denn jemals wieder zurückkehren, wenn mich mein eigener Vater aus dem Haus gewiesen hat”, antwortete das Mädchen und fing zu weinen an.
Da erzählte ihr die gute Fee, was sich während ihrer Abwesenheit im Lande zugetragen hatte, dass nun die Worte an ihren Vater wahr geworden und Salz wertvoller als Gold und Edelsteine sei.
Ungern verließ Maruschka die gute Fee, die sie so viele nützliche Dinge gelehrt hatte. Doch ihre Sehnsucht nach dem Vater war erwacht und sie konnte es kaum erwarten, ihn wiederzusehen.
“Du hast mir treu gedient, Maruschka”, sprach die Alte beim Abschied, “und ich will dich gut entlohnen. Sage mir, was du dir wünschest.”
“Ihr wart so gut zu mir und habt mich so vieles gelehrt”, antwortete Maruschka, “ich will nichts anders von Euch, Mütterchen, als ein wenig Salz, welches ich meinem Vater bringen will.”
“Und nichts weiter wünschest Du? Ich könnte jeden deiner Wünsche erfüllen”, fragte nochmals die gute Fee.
“Nein, nichts mehr begehre ich, Mütterchen, als das Salz”, beharrte Maruschka.
“Da du das Salz so hoch schätzest, möge es dir niemals daran fehlen!” sprach die Alte. “Nimm hier diese kleine Weidenrute, und wenn einmal der Mittagswind zu wehen beginnt, folge ihm. Gehe durch drei Täler und über drei Berge, dann halte ein und berühre den Boden mit der Weidenrute. Die Erde wird sich öffnen und du trete getrost ein. Was du dort finden wirst, behalte - es sei dein Eigen.”
Dankend nahm Maruschka die Weidenrute und verwahrte sie sorgfältig. Dann gab ihr die alte Frau
» weiter ein Beutelchen, welches sie mit Salz füllte. Schweren Herzens nahm das Mädchen Abschied von dem kleinen Waldhäuschen, das ihr zur zweiten Heimat geworden war und machte sich, von dem Mütterchen begleitet, auf den Heimweg. Weinend versicherte Maruschka, dass sie wiederkommen wolle, um die alte Frau zu holen und sie für immer mit sich auf Schloss zu nehmen.
“Bleibe nur stets gut und gehorsam”, sagte die Alte lächelnd, als sie den Rand des Birkenwäldchens erreicht hatten, “und es wird dir wohl ergehen!”
Als ihr Maruschka nochmals für ihre Güte danken wollte, war sie verschwunden.
Verwundert stand das Mädchen da, doch die Sehnsucht nach ihrem Vater ließ sie nicht lange verweilen und sie eilte dem Schlosse zu.
Sie war ärmlich gekleidet und da sie den Kopf in ein Tuch gehüllt hatte, erkannte sie niemand. Die Diener im Schloss verweigerten ihr den Eintritt zum König, da er krank und schwach im Bette lag.
“Ach, lasst mich doch ein.”, bat sie. “Ich bringe ein Geschenk, welches dem König seine verlorene Kraft und Gesundheit wiedergeben wird!”
Als der König dies hörte, befahl er, das Mädchen zu ihm zu bringen.
“Gebt mir ein Stück Brot!” bat Maruschka, als sie vor dem König stand.
“Salz kann ich Dir mit dem Brote jedoch nicht reichen lassen,” seufzte der König, “denn wir haben im Schloss kein Stäubchen davon.”
“Das Salz habe ich!” rief Maruschka und sie öffnete ihren Beutel, streute ein wenig aufs Brot und reichte es dem König.
“Salz! Hört ihr Leute”, rief der König entzückt. “Wie soll ich dir nur für deine Gabe danken? Sage mir, was du dir wünschest!”
“Nichts wünsche ich mir sehnlicher, als dass du, mein geliebtes Väterchen, mich wiederum zu dir nimmst und mich ebenso liebst wie das Salz hier”, antwortete Maruschka und enthüllte ihr liebliches Antlitz.
Der König war überglücklich, als er seine jüngste Tochter wiedersah. Er bat sie um Verzeihung, doch Maruschka küsste und streichelte ihren Vater nur und hatte auch schon alles Unrecht, welches ihr geschehen war, vergessen.
Schnell verbreitete sich im Schloss und auch im ganzen Lande die Kunde, dass des Königs jüngste Tochter heimgekehrt war und Salz mitgebracht hätte. Jeder, der im Schloss erschien und um Salz bat, bekam ein wenig aus dem Beutelchen, welches nie leer wurde.
Der König wurde gesund und voller Freude darüber berief er eines Tages um die Mittagsstunde seine Edelleute, um ihnen zu verkünden, dass er Maruschka zu seiner Nachfolgerin bestimmen wolle.
Maruschka wurde gerufen und unter großem Jubel des Volkes wurde sie zur Königin ernannt. Da strich ein warmer Windhauch leise über ihre Wange und es war ihr, als höre sie die Stimme der alten Frau im Walde. Sie erkannte das Zeichen, welches ihr der Mittagswind gab und beschloss, ihm zu folgen. Schnell vertraute sie sich ihrem Vater an, nahm die kleine Weidenrute zur Hand und schritt in der Richtung des Windes aus. Sie wanderte über drei Berge und durch drei Täler und blieb hierauf stehen, so wie es ihr die alte Frau geboten hatte. Mit ihrer Rute schlug sie auf den Boden und siehe da! Die Erde öffnete sich und Maruschka trat ein.
Sie stand inmitten eines großen Saales, dessen Wände und Boden wie aus Eis gebaut zu sein schienen. Von allen Seiten liefen winzige Männchen herbei, die alle hellleuchtende Fackeln trugen.
“Sei uns willkommen, oh Königin!” riefen sie. “Wir haben deine Ankunft lange erwartet! Unsere Gebieterin befahl uns, dir dieses unterirdische Reich zu zeigen, denn es gehört dir!”
So schnatterte und plapperte es von allen Seiten, die kleinen Wesen hüpften und tanzten ihre Fackeln schwingend um Maruschka herum. Sie kletterten auf die Wände hinauf und sprangen über die glitzernden Kristalle, die wie Edelsteine im Fackellichte blitzten.
Die kleinen Männchen führten Maruschka durch Gänge, von deren Decken silberschimmernde Eiszapfen hingen. Sie geleiteten sie in Gärten, in welchen rote Eisrosen und andere wunderbare Blumen blühten. Dann brachen sie eine der schimmernden Blüten ab und reichten sie Maruschka, doch kein lieblicher Duft entströmte ihrem Kelch.
“Was soll denn all dies bedeuten?” fragte das Mädchen verwundert. “Niemals noch habe ich solche Pracht gesehen!”
“All dies ist Salz!” riefen die Männchen im Chor. “Nimm davon, so viel dir beliebt. Der Vorrat ist unerschöpflich!”
Maruschka dankte den kleinen Wesen von ganzem Herzen und kehrte ans Tageslicht zurück. Der Eingang zum unterirdischen Reiche aber schloss sich nicht wieder.
Als sie nach Hause zurückkehrte und ihrem Vater von ihrem wunderbaren Erlebnis erzählt hatte, erkannte dieser, mit welch unschätzbarem Reichtum seine Tochter von der alten Frau im Birkenwalde überschüttet worden war.
Maruschka sehnte sich nach der alten Frau, und sie eilte mit einem großen Gefolge zum Birkenwäldchen, um sie zu finden und für immer ins Schloss zu holen, so wie sie es ihr beim Abschied versprochen hatte. Doch so sehr sie sich auch bemühte und den Wald kreuz und quer durchsuchte - es gelang ihr nicht, die Hütte zu finden und das Mütterchen blieb verschwunden.
Da erst wurde es Maruschka klar, dass die alte Frau ihre gütige Fee gewesen war. Sie kehrte heim und wurde von ihren Untertanen stets geliebt und geehrt.
Und wenn sie nicht gestorben ist, so lebt sie vielleicht noch heute.

 

Thüringer Tagebuch: http://www.zgtintern.de/ta/tagebuch/?p=4329  19.8.15