Männer der Waldfrauen, der Nöck

Und was ist mit den Männern der Waldfrauen?

Bei den irischen Sidhe-Geschichten werden Männer sogar mit Namen erwähnt. Bei uns sitzen sie an den Wegkreuzungen oder auch in den Häusern und tratzen die Menschen oder helfen ihnen auch. So ähnlich wie Puck, der allerdings ein irischer Kobold ist. Shakespeare schreibt von Puck, dessen Namen ich mir gestohlen habe: er ließe die Mühlenräder stehen, verschütte den Milchmädchen die Milch und führe die Wanderer in die Irre, manchmal zu ihrer eigenen "Gaudi". Dann gibt es natürlich Rübezahl, der als Sturm über Wälder und Bergeshöhen hinweg fegt.
Wie die Saligen ihre Kinder versorgten habe ich nirgends gelesen. Nur die, die sie mit Menschen hatten. Und die ließen sie manchmal zurück, wenn sie ihre Menschenmänner verließen, obwohl noch ein Kontakt bestanden haben muss; sonst hätten sie nicht von ihnen gelernt.
Das hat jetzt nichts mit den Saligen zu tun: Ich habe im Fernsehen ein Interview mit einer 80 jährigen Eskimo-Frau gehört, die das Erdloch zeigte, wo sie vor 80 Jahren mitten im Schnee geboren wurde. So stelle ich mir das Kinderkriegen bei den saligen Frauen vor.
Aber recht friedlich scheinen die Saligen schon gewesen sein. Die irischen Sidhe zogen sich in Höhlen zurück und überließen den Eroberern das fruchtbare Land zur Bebauung. Und bei unseren Geschichten habe ich auch keine geplante Tötungen beobachtet. Der Tod ergibt sich nur manchmal als Konsequenz eines Verhaltens des einen oder anderen Teils.

Blanka Trunitschek hat mir folgende Geschichte geschickt. Die Männer der Waldfrauen sind boshaft, ja. Aber so tödlich geht es selten aus. Blanka Trunitschek sagt dazu: "Ich habe das Märchen frei übersetzt und die Brücke ist die Karlsbrücke in Prag. Wenn also einer darüber spazieren geht, soll immer diese Geschichte vor Augen haben."

 

Blanka Trunitschek: Wassergeister unter der Brücke. SdS Hamburg 2017

Wassergeister unter der Brücke

In der Gegend um die Steinbrücke, oder auch direkt unter ihr, lebten, oder vielleicht leben noch, manche Wassergeister. Die Brücke ist ein Prestigeobjekt, sie war der Stolz des ganzen Königreiches. Und sie war praktisch. Der Ufer spiegelte die reine Natur, die Pferde konnten dort gewaschen werden, im Sommer lieferte der Fluss Sand und im Sommer Eisblöcke.

Überdies blühte hier die kommerzielle Schiffart, es tummelten sich hier größere und kleinere Boote. Die Fischer konnten ihre Familien gut ernähren und auch auf den Märkten ihre Beute verkaufen.

Die Nöcks erbeuteten hier und da eine Seele in ihr Pöttchen, wenn die Menschen allzu unaufmerksam waren. Manchmal kam auch ein neuer Unterwassermann aus der Ferne dazu.

Es war damals die Sitte, dass die Lehrlinge erst durch die Welt gehen mussten um Erfahrungen zu sammeln. So auch ein Bursche, der die Maurerzunft erlernen wollte. Auf dem Weg, hinter einem Dorf, gesellte sich zu ihm ein Männlein, welches einen grünen Umhang anhatte. Sie unterhielten sich und es kam heraus, dass sie einen gemeinsamen Weg hatten. Es ging zu zweit schnell voran, da auch das grüne Männlein lustige Geschichten zu erzählen wusste.

Die zwei mussten auch zweimal übernachten. Das Männchen sagte, dass es nur dort übernachten wollte, wo es einen Teich gab. Als der Lehrbursche bei guten Leuten übernachtete, verschwand der Wichtel und kam erst am Morgen wieder.

Sie kamen nach Prag und gerade als sie die Steinbrücke überquerten, gestand der Grüne, dass er ein Nock sei und nach Prag kam, um sich zu rächen. Er erzählte von einem Kutscher, der in seinem Dorf in seinem Teich die Pferde gewaschen hätte. Dadurch seien alle Fische erschrocken, das Wasser trübe geworden und das Schilf gänzlich zertrampelt. Der Nock hätte ihn ermahnt, aber der Kutscher hat ihn nur ausgelacht. Deshalb hatte er sich entschlossen nach Prag zu gehen und den Kutscher zu ertränken. Jetzt lockte er den angehenden Maurer mit zu schauen. Man würde den Naturschänder an einer Rose am Hut erkennen. Der Junge war unentschlossen aber auch sehr neugierig und so ist er am nächsten Tag auf die Brücke gegangen. Nach kurzer Zeit sah er wirklich einen Mann mit einer Rose am Hut, der seine stattlichen Pferde zum Baden in dem Fluss geführt hatte. Er wollte ihn warnen und rief ihm zu, fuchtelte mit den Armen, doch der Kutscher sah ihn nicht und führte die Pferde unverdrossen zum Fluss.

Plötzlich schien es, als ob er in das Wasser gezogen wurde. Die Pferde haben es gespürt, sind ausgerissen und trabten zum Ufer. Der Kutscher aber konnte sich nicht mehr retten, der Unterwassermann war stärker.

 

Der Nöck  von August Kopisch

    Es tönt des Nöcken Harfenschall:
    Da steht der wilde Wasserfall,
        Umschwebt mit Schaum und Wogen
        Den Nöck im Regenbogen.
5                 Die Bäume neigen
            Sich tief und schweigen,
    Und athmend horcht die Nachtigall. –
    »O Nöck, was hilft das Singen dein?
    Du kannst ja doch nicht selig sein!
10             Wie kann dein Singen taugen?« –
        Der Nöck erhebt die Augen,
            Sieht an die Kleinen,
            Beginnt zu weinen ...
    Und senkt sich in die Flut hinein.
15         Da rauscht und braust der Wasserfall,
    Hoch fliegt hinweg die Nachtigall,
        Die Bäume heben mächtig
        Die Häupter, grün und prächtig.
            O weh, es haben
20                 Die wilden Knaben
    Den Nöck betrübt im Wasserfall!
    »Komm wieder Nöck, du singst so schön!
    Wer singt, kann in den Himmel gehn!
        Du wirst mit deinem Klingen
25             Zum Paradiese dringen!
            O komm, es haben
            Gescherzt die Knaben:
    Komm wieder Nöck, und singe schön!«
    Da tönt des Nöcken Harfenschall
30         Und wieder steht der Wasserfall,
        Umschwebt mit Schaum und Wogen
        Den Nöck im Regenbogen.
            Die Bäume neigen
            Sich tief und schweigen,
35         Und athmend horcht die Nachtigall.
    Es spielt der Nöck und singt mit Macht
    Von Meer und Erd' und Himmelpracht.
        Mit Singen kann er lachen
        Und selig weinen machen! –
40                 Der Wald erbebet,
            Die Sonn' entschwebet ...
    Er singt bis in die Sternennacht!

Quellen:

Kopisch, August: Der Nöck. In: Balladen. Das große Abenteuer. Jugend und Volk. 1966.